Strichpunkt Sustain­ability Talk #7

Manfred Meindl

Nach einem jahrelangen Transformationsprozess gilt Vaude heute als nachhaltigste Outdoormarke Deutschlands. Marketingleiter Manfred Meindl über die Kosten eines nachhaltigen Markenumbaus, sparsame Kund:innen und Shitstorms als Maßnahme der Mitarbeitendenfortbildung.


"Wir wachsen in einem gesättigten Markt überdurchschnittlich. Und die Vermutung liegt nahe, dass dies maßgeblich an unserer konsequent nachhaltigen Markenausrichtung liegt."


Vaude hat etwas geschafft, was viele Marken noch vor sich haben: nicht nur nachhaltig zu agieren, sondern auch als solches anerkannt zu werden. Wie kommt eine Marke dorthin?
Indem sie die nachhaltige Ausrichtung authentisch lebt, sich kontinuierlich weiterentwickelt und über ihren Veränderungsprozess spricht. Auf dem Weg lernt man als Marketingverantwortlicher dann auch eine Menge, wie Nachhaltigkeitskommunikation funktioniert – und wie auch nicht.

Ein Beispiel, bitte.
Wir haben unter anderem gelernt, dass wir das komplexe, langfristige und mitunter zähe Thema Nachhaltigkeit für Konsument:innen und Mitarbeitende greifbar machen müssen. Als wir vor 12 Jahren unseren Veränderungsprozess anstießen, haben wir noch fast metaphysisch darüber doziert, wo wir in Sachen Nachhaltigkeit hin- und was wir erreichen wollen. Damit erreichten wir aber nur eine sehr spitze und bereits gut informierte Zielgruppe. In der Masse kam da nicht viel an. Heute sprechen wir sehr konkret darüber, welchen Nutzen eine Maßnahme oder auch ein neues Material für einzelne Kund:innen haben.

Genau daran verzweifeln ja viele Markenverantwortliche.
Wir haben kürzlich eine Jacke aus biobasiertem Nylon auf den Markt gebracht. Während wir abstrakt früher berichtet hätten, dass wir jetzt auf diese spannende Rhizinusöl-Materialalternative setzen, stellen wir jetzt ihren ökologischen Fußabdruck und ihren konkreten funktionalen Mehrwert in den Vordergrund. Nur so erreicht man auch einen Massenmarkt und bewegt pragmatisch denkende Konsumenten:innen dazu, Nachhaltigkeit zu einem ihrer Kaufkriterien zu machen.

Ganz konkret: Wieviel Jacken verkauft Vaude mehr, weil die Marke als nachhaltig gilt?
Wir Outdoormarken produzieren mehr oder weniger vergleichbare Produkte, die funktionell sein müssen. Sie unterscheiden sich natürlich in Material, Verarbeitung und Design sowie funktionellen Details, aber schlussendlich sind sie ähnlich. Umso entscheidender ist bei der Kaufentscheidung, was eine Marke ausstrahlt bzw. wofür sie steht und welchen Mehrwert sie bietet. Da bekommt das kleine Logo dann schon eine große Bedeutung. Das gilt übrigens auch für den Handel: Viele Händler:innen setzen auf die Marke Vaude, um Nachhaltigkeitsflächen zu bespielen und ihre eigene Marke positiv aufzuladen.

Vaude gilt in Europa als führende Nachhaltigkeitsmarke in eurer Kategorie, weltweit ist es Patagonia. Ist das Feld damit eigentlich besetzt? Oder ist im Relevant Set der Kund:innen noch Platz für Andere?
Als Branche haben wir nur eine Chance, wenn wir alle nachhaltiger werden, schließlich produzieren wir alle in denselben Fabriken in Asien. Global betrachtet, hat Vaude in der Produktion relativ geringe Volumen und kann damit auch nicht so viel Einfluss ausüben. Gemeinsam mit anderen Marken hätten wir deutlich größere Produktionsvolumina und damit eine viel größere Chance, Produktionsbetriebe in Taiwan oder anderswo z.B. zum Umstieg von Braunkohle- auf Solarstrom zu bewegen. Allein kommen wir da nicht so weit.

Etwas Anderes ist die Markenwirkung. Da gibt es aktuell nur wenige Marken die ihre Nachhaltigkeit glaubwürdig kommunizieren. Um neben Vaude, Patagonia oder FjällRäven ins Relevant Set aufzurücken, müssten andere Marken schon sehr viel Marketingpower ins Spiel bringen.

Wieviel mehr sind Kund:innen für nachhaltige Produkte zu zahlen bereit?
Ehrlicherweise wenig. Nachhaltigkeit wird heute einfach vorausgesetzt. Die Kund:innen erwarten, dass Unternehmen sich um ihre Nachhaltigkeitsperformance kümmern, aber einen Aufpreis zahlen die meisten trotzdem ungern, auch wenn in diversen Marktforschungen immer wieder das Gegenteil behauptet wird.

Das heißt: Nachhaltigkeit kostet erst einmal kräftig Marge.
Richtig. Recycelter Polyester beispielsweise ist deutlich teurer als fabrikneuer. Wenn man wie wir über die komplette Lieferkette konsequent auf nachhaltigere Lösungen setzt, kommen da enorme Kosten zusammen. Um dennoch unsere Marge halten zu können, haben wir unser Marketingbudget in den letzten Jahren immer weiter reduziert. Wir lassen unsere Produkte und Prozesse für sich sprechen.

Was kostet eure nachhaltige Ausrichtung? Und was bringt sie?
Wir haben unseren Umsatz seit 2010 verdoppelt. Obwohl wir ein eigenfinanziertes Familienunternehmen sind, wachsen wir in einem gesättigten Markt überdurchschnittlich. Die Vermutung liegt nahe, dass das vor allem an unserer konsequent nachhaltigen Ausrichtung liegt. Beweisen kann ich den Zusammenhang natürlich nicht.

Vaude hat aber auch eine charismatische Geschäftsführerin, die das Thema Nachhaltigkeit treibt und nach außen vertritt.
Diese Galionsfigur war Antje von Dewitz aber nicht von Anfang an. Sie hat sich vielmehr in diese Rolle hineinentwickelt und die Authentizität unserer Botschaft enorm gestützt. Mittlerweile verteilen wir die Last der Außendarstellung aber auf mehrere Schultern. Nicht zuletzt deshalb werde unter anderem auch ich bei der Strichpunkt Online Session von unserem Ansatz erzählen.

Wir haben heute nicht mehr nur eine Antje von Dewitz, sondern mehrere Kommunikations-Leuchttürme. Letztendlich zählt auch jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter im Kundenservice dazu, schließlich sind sie für viele Kund:innen der erste Touchpoint. Außerdem haben wir eine Vaude Academy für nachhaltiges Wirtschaften aufgebaut, über die unsere Expert:innen unsere Nachhaltigkeitskompetenz nach außen und auch in andere Unternehmen und Organisationen tragen.

Eure Nachhaltigkeitskommunikation beschränkt sich aber nicht auf Produkte und Prozesse. Vaude zeigt auch zu Themen wie Flüchtlingskrise und Klimawandel klare Kante.
Unternehmen sind Teil der Gesellschaft, und als solches haben wir eine Haltung zu gesellschaftlichen Themen, mit der wir nicht hinterm Berg halten. Haltungskommunikation ist heute ein wesentlicher Bestandteil unserer Kommunikationsstrategie. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und all den negativen Botschaften, die 2016 den Diskurs zu bestimmen begannen, war es uns ein Anliegen, positive Beispiele zu setzen und zu zeigen, dass wir gemeinsam Herausforderungen angehen und etwas bewegen können. Wir wollten zeigen, dass man gleichzeitig fair, umweltfreundlich und wirtschaftlich erfolgreich sein kann. Diese grundlegende Botschaft funktioniert auch in der B2B-Kommunikation wahnsinnig gut.

Was heißt erfolgreich? Woran bemesst ihr den Erfolg?
Vor zehn Jahren wurde Antje von Dewitz noch zur Firmenübergabe oder zu ihrer Doppelrolle als Mutter und Geschäftsführerin befragt. Heute interviewen „Spiegel“, “NZZ” und „New York Times“ sie zu Flüchtlingskrise und Gemeinwohlwirtschaft und damit auf dem Medienniveau einer DAX-Vorständ:in. Für einen Familienbetrieb vom Bodensee ist das eine ordentliche Leistung.

Andererseits macht ihr euch mit einer klaren Haltung angreifbar. Und verliert vermutlich auch den einen oder anderen Kund:innen.
Ich würde sagen: Durch unsere Haltungskommunikation lernen uns die Kund:innen genauer kennen. Sie schärft unsere Marke. Und, ja, ein paar haben wir sicher verloren. Während der Flüchtlingskrise gab’s auch Boykottaufrufe gegen Vaude, weil wir uns dafür eingesetzt haben, dass Geflüchtete, die sich integriert und einen Arbeitsplatz haben, auch eine Bleibeperspektive erhalten sollen. Unser PR-Team ist im Abwettern solcher Shitstorms mittlerweile geübt. Aus meiner Sicht ist das eine ausgezeichnete Mitarbeitenden-Fortbildung in Sachen Resilienz. Und, wie gesagt: abgesehen von einer wetterbedingten Delle im Jahr 2018 wachsen unsere Umsätze seit zehn Jahren kontinuierlich. Marken sollten keine Angst vor einer klaren Meinung haben.


Let's talk

Lust, über die nachhaltigen Potenziale Ihrer Marke zu sprechen?
Harald freut sich auf einen lockeren Austausch. Einfach eine kurze Nachricht an h.willenbrock@sp.design schreiben.

Harald Willenbrock

Head of Concept & Content