Strichpunkt Sustain­ability Talk #5

Uwe Melichar

Neunzehn Millionen Tonnen Verpackungsabfall produzieren wir Deutschen jedes Jahr – Verpackungen, die irgendjemand irgendwo mal entworfen hat. Was können Designer:innen tun, um den Müllberg zu verkleinern? Uwe Melichar, Packaging-Experte und Designer, gibt Antworten.


»Ist das Kunst (-stoff) oder kann das weg?«


Du entwirfst seit fast 30 Jahren Verpackungen, wenn es einer weiß, dann also Du: Wie kriegen wir endlich den Berg aus 19 Millionen Tonnen Verpackungsabfall klein, den wir Deutschen Jahr für Jahr produzieren?
Verpackungen schützen das Produkt, verlängern die Haltbarkeit und schaffen wichtige Kommunikationsflächen – ganz auf sie verzichten können wir nicht. Wir brauchen weniger, aber bessere Verpackungen. Im Bereich Wiederverwenden steckt viel Potenzial, doch hier ist es wichtig, ‚Packaging as a Service‘ zu begreifen und Verpackung im Sinne eines geschlossenen Ökosystems neu zu denken.


„There is no such thing as waste. Just stuff in the wrong place.“

David Takayoshi Suzuki
Umweltwissenschaftler




Was bedeutet das?
Mein Lieblingszitat zu dem Thema stammt vom Umweltwissenschaftler David Takayoshi Suzuki: »There is no such thing as waste. Just stuff in the wrong place.«

Was sollten Packaging-Designer:innen beherzigen, wenn sie künftig nicht mehr Teil des Problems, sondern zumindest ein Teilchen der Lösung sein wollen?
Das kommt ganz auf den Einsatzzweck, das Material, die Konstruktion und das Nutzungsszenario an. Es ist also leider komplex. Dennoch gibt es ein paar schlagkräftige Faustregeln:

  • Monomaterial schlägt Verbundmaterial
  • Materialien leicht trennbar einsetzen
  • Nicht alles glauben, was die Hersteller behaupten. Beispiel: Auch ein natürlich wirkendes Papier kann, wenn bestimmte Füllmaterialien eingesetzt werden, ein echtes ‚Materialmonster‘ sein.
  • Auf komplett schwarze Kunststoff-Verpackungen verzichten, denn die lassen sich grundsätzlich nicht wiederverwenden
  • Nachwachsende Rohstoffe statt fossiler Materialien einsetzen. Ein paar Hinweise dazu finden sich hier: https://4evergreenforum.eu/about/guidelinesandprotocol/

Die Recyclingquote für Kunststoffe liegt in Deutschland aktuell bei etwa 55 Prozent. Ist das eigentlich eine gute oder schlechte Nachricht?
Wir liegen mit unserer Recyclingrate weit über anderen Ländern, das ist erst einmal positiv. Ein Hauptproblem aber ist die Qualität. Der Großteil unseres eingesammelten Kunststoffs wird zu Blumentöpfen oder Parkbänken ‚downgecycelt‘. So viele Parkbänke braucht kein Mensch… Wir müssen hochwertig recyceln, damit aus Shampoo-Flaschen wieder neue Shampoo-Flaschen werden können.

Guter Punkt. Wenn aber Pullover aus recycelten PET-Flaschen bei jedem Waschen tausende Fasern in die Flüsse spülen und Rucksäcke aus angeblich 100% Meeresplastik sich bei genauerem Hinsehen als Mogelpackungen entpuppen, scheint selbst das Thema Recycling verdammt schwierig, oder?
Yep, das bleibt schwierig. Besonders das sogenannte ‚social plastic‘, das an Stränden gesammelt wird, ist so kontaminiert, dass sich aus ihm zum Beispiel keine lebensmitteltaugliche Verpackung herstellen lassen. Initiativen wie die Plastic Bank sind dennoch sehr wichtig, aber nicht die Lösung unseres Problems. Wir müssen dafür sorgen, dass Müll gar nicht erst in den Flüssen und Meeren oder auf Deponien landet. Wir brauchen geschlossene Kreisläufe. Mit dem Cradle to Cradle-Ansatz können wir zum Beispiel dafür sorgen, dass alle Materialien eines Produktes oder einer Verpackung so verbaut werden, dass sie wiederverwendet werden können.

Hand aufs Herz: Sammelst Du daheim eigentlich leere Verpackungen im Gelben Sack? Oder ist das aus deiner Sicht sinnlos?
Natürlich sammle ich Verpackungen, die besonders Guten behalte ich sogar dauerhaft als Muster. Ich füttere täglich den Gelben Sack, obwohl ich Zweifel an diesem System habe, weil ein Teil der wertvollen Materialien leider noch immer im ‚großen Feuer‘ landet. Nur im Zusammenspiel zwischen Industrie, Hersteller, Handel, Verwerter, Gesetzgeber und Konsument:innen lassen sich wirklich gute Lösungen finden.

Verpackungen sind aber nicht nur ein Problem, sondern im besten Fall etwas Faszinierendes. Hier ist Platz für deine drei Packaging-Allzeitfavoriten:
Top 1: Die Perlenflasche der Deutsche Mineralbrunnen. Seit 1969 im Umlauf, formschön, wiederverwendbar und standardisiert.
Top 2: Das THOMY's Senf-Trinkglas. Seit der Einführung lässt es sich nach dem Gebrauch als Trinkglas verwenden. Nix für Ästheten, aber toll für Gartenparties…
Top 3: wir.kiste.kreis., ein wiederverwendbarer Versandkarton, der markenübergreifend im Markt eingeführt wird und an 2.500 Sammelstellen abgegeben werden kann. Da bin ich intensiv an der Entwicklung beteiligt.


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Uwe Melichar

ist Designer in Hamburg und unabhängiger Experte für (kreislauffähige) Verpackungen und Design. Mit seiner Firma MELICHAR Bros. entwickelt er Verpackungslösungen für Kunden rund um die Welt.